Ad. Wever GmbH & Co.


Weberei, Färberei, Ausrüstung, Möbelstoffe, Dekorationsstoffe, Autobezugsstoffe

Zusammengestellt von Konrad Lipphardt, Bad Hersfeld im Jahre 2009




Bild 1: Adolph Wever, Gründer der Firma, 24. Dezember 1902


Der Begründer der Firma Ad. Wever, Adolph Wever, wurde am 28. Februar des Jahres 1832 als Sohn des Apothekers August Wever zu Burg an der Wupper geboren. Nach Absolvierung der Schule erlernte der junge Adolph Wever die Handweberei und sah sich zu seiner Ausbildung in anderen auswärtigen Betrieben um. Wever und Weber ist sprachgeschichtlich dasselbe Wort. So kehrte Adolph zu dem Handwerk zurück, das seiner Familie den Namen gegeben hatte. Nachdem er seine praktischen und theoretischen Studien abgeschlossen und in seinem Fach verhältnismäßig reiche Erfahrungen gesammelt hatte, machte er sich selbständig und gründete am 01. März des Jahres 1860 in Breitenbach am Herzberg eine kleine Handweberei. Dank seiner rastlosen Energie, Tatkraft und Zuversicht gelang es ihm bald, sich mit geringer Hilfe allmählich emporzuarbeiten und den Absatz, sowie die Leistungsfähigkeit der Weberei bedeutend zu erhöhen.




Bid 2: Wilhelm Wever, Inhaber der Firma ab 24. Dezember 1902


Da sich der Betrieb im Laufe der sechziger Jahre immer mehr entwickelte und die Ausdehnungsmöglichkeit hier in Breitenbach sehr beschränkt war, reifte im Jahre 1867 in ihm der Plan, seine Weberei zu verlegen und diese mechanisch zu betreiben. Dieser Gedanke wurde auch bereits im folgenden Jahre verwirklicht und im Jahre 1868 in Hersfeld (damals noch nicht Bad Hersfeld) eine kleine mechanische Weberei vorläufig in gemieteten Räumen (Rössingsmühle) geschaffen. Im Jahre 1872 wurde ein eigenes Gebäude an der Bahnhofstraße errichtet. Wegen der inzwischen entstandenen Bahnverbindung nach Hersfeld bot sich dieser Ort an, wo er nun zur maschinellen Fertigung seiner Produkte überging. Die ersten mechanischen Schaftwebstühle wurden aufgestellt. Die Produktpalette umfasste Inlett und Matratzendrell. Die Hoffnungen des unternehmungslustigen Mannes in Bezug auf die Weiterentwicklung des Betriebes wurden zwar nicht getäuscht, jedoch wurde Adolph Wever im Jahre 1874 leider kränklich, so dass er sich dem jungen Unternehmen nicht in dem Maße widmen konnte, wie es wohl erforderlich gewesen wäre. Die Folge davon war, dass sich die Weberei bis zum Jahre 1880 kaum vergrößerte. Nach dieser Zeit aber kam das Geschäft in eine neue Entwicklungsperiode, die im Jahre 1884 wieder größere Neubauten nötig machte. Ihnen folgten im Jahre 1893 nochmals erhebliche Vergrößerungen.



Bild 3: Teilansicht der Färberei


Als am 1. Juli 1900 der älteste Sohn des Gründers, Wilhelm Wever, als Teilhaber in die Firma eintrat, ging ein belebender Zug durch die Entwicklung der Fabrik. Er hatte sich in seiner langjährigen theoretischen und praktischen Ausbildung reiche Erfahrungen und einen raschen umsichtigen Blick für alles Neue und Vorteilhafte angeeignet. Wilhelm Wever sorgte für eine bedeutende Vergrößerung der bestehenden Anlagen und ließ verschiedene moderne Maschinen aufstellen. Nach dem Ableben von Adolph Wever am 24. Dezember 1902 übernahm Wilhelm Wever die Firma als alleiniger Inhaber. Unter seiner fachmännischen, sachkundigen Leitung vergrößerte sich der mechanische Betrieb mehr und mehr, es wurden neue Absatzgebiete erschlossen, so dass sich der Umsatz ständig hob. Aus diesem Grunde musste im Jahre 1909 eine gründliche Reorganisation der Fabrik vorgenommen werden, da die Räumlichkeiten und maschinellen Einrichtungen nicht mehr genügten.




Bild 4: Teilansicht der Färberei



Ein Neubau für die Färberei, die damals einen bedeutenden Zweig der Firma ausmachte, wurde errichtet und weitere Anschaffungen der neuesten und modernsten Hilfsmaschinen wurden durchgeführt, so dass das Unternehmen als ein in jeder Beziehung bedeutendes und leistungsfähiges dastand.




Bild 5: Teilansicht der Spulerei





Bild 6: Teilansicht der Spulerei





Bild 7: Teilansicht der Kettenschererei





Bild 8: Teilansicht der Weberei





Bild 9: Teilansicht der Weberei





Bild 10: Teilansicht der Jaquardweberei





Bild 11: Teilansicht der Ausrüstung





Bild 12: Teilansicht der Ausrüstung, Putzerei





Bild 13: Teilansicht der Ausrüstung, Warenbeschau





Bild 14: Lichtanlage, Damfmaschine, die den "Dynamo" antreibt.



Die ganze Fabrik wurde durch eine eigene elektrische Lichtanlage (Dynamo) erleuchtet, wodurch sich der Betrieb von anderen Lichtquellen unabhängig gemacht hatte.







Bild 15: Titelblatt der Festschrift zur 50-Jahrfeier im Jahre 1910

Im folgenden Jahre, am 1. März 1910, beging die Firma Ad. Wever das seltene Fest des fünfzigjährigen Geschäftsjubiläums, welches von dem Inhaber der Firma und deren Angestellten feierlich begangen wurde. An diesem denkwürdigen Tage konnte die Firma mit Stolz auf die große Spanne Zeit eines halben Jahrhunderts zurückblicken, in welcher sich die Fabrik aus den denkbar kleinsten Anfängen zu einem damals modernen Großbetrieb entwickelt hatte. Die Firma, die an allen größeren Plätzen Deutschlands Vertreter unterhielt, beschäftigte damals eine große Anzahl von Beamten, Arbeitern und Arbeiterinnen, die schon zum Teil einige Jahrzehnte im Dienste der Fabrik standen. So hätte z. B. der Prokurist Wilhelm Stöve bereits seit 20 Jahren seine Kräfte in treuer, gewissenhafter Pflichterfüllung der Firma gewidmet, wie die Festschrift berichtet. Die Firma muss von den Menschen als eine staatsähnliche Einrichtung angesehen worden sein. So wurde ehrerbietig von den Besitzern, ja sogar vom Prokuristen, immer von Herrn Wilhelm Wever, dem Prokuristen Herrn Wilhelm Stöve u. s. w. gesprochen. Personen, die wir heute als Angestellte bezeichnen, wurden Beamte genannt.




Bild 16: Wilhelm Wever mit Arbeitern im Jahre 1910





Bild 17: Wappen der Firma Ad. Wever



Auf verschiedenen von der Fabrik beschickten Ausstellungen wurden deren Fabrikate mit den höchsten Auszeichnungen prämiiert, so z. B. in Amsterdam 1869 und in Cassel 1870. Seit dieser Zeit hat die Firma nicht mehr ausgestellt, teils aus mangel an Zeit, teils weil ihre Fabrikate sich ohne Prämiierung des besten Rufes erfreuen und sich überall durch ihre Güte schnell den Markt erobert haben, heißt es weiter in der Festschrift. Im Jahre 1909 wurden die ersten mechanischen Jacquardwebstühle aufgestellt. Anschließend folgten wechselhafte Jahre. Sie waren gezeichnet vom ersten Weltkrieg, der Weltwirtschaftskrise und dem zweiten Weltkkrieg. Wever meisterte alle diese Krisen. In der Fabrik wurden hauptsächlich folgende Stoffe hergestellt: Daunenköper, Bettbarchent in Satin und Köper, Matratzendrell in Satin und Drell und gepflegt als ganz besondere Spezialität Jacquarddrell in den damals modernen Mustern und Farbzusammenstellungen, ferner Markisendrell, Rouleaustoff, Scheuertücher und Matratzenschoner aus Holzstoff (Cellulose).




Bild 18: Gesamtansicht des Werkes Ad. Wever



Im Jahre 1942 übernimmt Dr. Heinrich Hocke, der Schwiegersohn, die Unternehmensleitung. In den Jahren nach dem Krieg trifft er die Entscheidung, keine Stapelartikel mehr herzustellen. Man setzte ab jetzt auf modebetone und hochwertige Artikel im Möbelstoff- und Dekostoffbereich. In diese Zeit fiel auch der maschinelle Ausbau zu einer modernen Weberei. Im Jahre 1970 traten Dipl.Ing. Peter Krüger, der Schwiegersohn, und Dipl.-Des Ingrid Krüger, geb. Hocke in die Leitung der Firma ein. Peter Krüger führt im Jahre 1980 die Produktion von Automobilpolsterstoffen ein. Die technische Ausstattung von Wever wurde ständig weiterentwickelt und war immer auf dem neusten Stand. Dr. Hocke war weiterhin beratend im Unternehmen tätig.


Nicht jede Weberei hat ein eigenes Atelier. Wever hatte gleich drei Ateliers mit erfahrenen und erfolgreichen Designerinnen und Designern und den erfordelichen technischen Mitarbeitern - ein Team von 15 Fachleuten, aufgeteilt in die drei Sektionen Möbelstoffe, Dekostoffe und Automobilstoffe. Mit den Ateliers wurde eine schnelle Reaktion auf Käuferwünsche möglich. Der Wunsch des Kunden nach einer bestimmten Kreation wurde sehr schnell realisiert. Im äußersten und dringendsten Fall konnte man von heute auf morgen ein Muster entwerfen und als Stoffprobe produzieren. Vom ungefärbten Garn, das man von leistungsfähigen Vorlieferanten bezog, bis zum fertig ausgerüsteten Gewebe wurden alle Produktionsstufen im eigenen Hause durchgeführt.



Bild 19: Das alte Stammhaus der Firma bot die richtige Atmosphäre für die Designer




Bild 20: Jacquardweberei


Kernstück der Produktion war die Weberei, die mit 100 Webmaschinen modernster Bauart bestückt war. Die Schaft- und Jacquardtechnologie ermöglichte die Herstellung von Flachgeweben mit unbegrenzten Mustermöglichkeiten. Vom Garneingang bis zum Versand der Fertigware wurden in allen Produktionsstufen strenge Kontrollen durchgeführt. Diese Kontrollen wurden durch Prüfungen in einem speziell dafür eingerichteten Labor ergänzt. So konnte eine gleichbleibend hohe Qualtät garantiert werden. Die Firma Wever wurde damit den Kunden der Heimtextil- und Automobilindustrie gerecht, die von den Weverschen Stoffen Scheuerfestigkeit, Reißfestigkeit, Lichtechtheit und Dehnbarkeit erwarteten. Die Kontroll- und Prüfungsanweisungen wurden in einem umfassenden Qualitätssicherungshandbuch exakt festgelegt.




Bild 21: Vielfältige Verwendungsmöglichkeiten für Stoffe von Wever




Bild 22: Verwendung von Stoffen im Automobilbau




Bild 23: Verwendung von Stoffen in der Möbelindustrie




Bild 24: Auch das Festspielgestühl ist mit Stoffen von Wever bezogen


Möbelindustrie, Großhandel und Automobilhersteller - das waren die Partner von Wever. Ein gut funktionierender Vertriebsapparat und der Außendienst kannte die Märkte. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands erlebte Bad Hersfeld einen starken Wandel. Die Stadt lag jetzt inmitten der großen Verkehrswege von Nord nach Süd und West nach Ost. In Bad Hersfeld und Umgebung siedelten sich alle großen Paketversender ihre Zentralen an. Wever lieferte ohne Umwege.




Bild 25: Teil der Kollektion der Firma Ad. Wever





Bild 26: Prospektseite




Bild 27: Das heutige Werk




Seit 1860 bestand also die Firma Ad. Wever als ein klassischer mittelständischer Familienbetrieb. Die Produktpalette der Firma Ad. Wever umfasste im Jahre 1995 ca. 3 600 Positionen in den Bereichen Weberei, Färberei, Ausrüstung, Möbelstoffe, Dekorationsstoffe, Autobezugsstoffe. Jährlich wurde eine Stoffmenge von 4,2 Millionen Quadratmetern hergestellt. Das entsprach einer Fläche von 424 Fußballfeldern. Man belieferte 1500 Abnehmer und Weiterverarbeiter, davon 25% im Ausland. Wever hatte eine Belegschaft von über 200 Mitarbeitern. Einige davon waren schon in der vierten Generation dabei.

Die Produktion wurde am 31. August 2006 eingestellt. Auslöser dieser Entscheidung war eine weitere Umsatzkürzung durch den Großkunden VW, die trotz Kurzarbeit die Finanzierung des Unternehmens gefährdet hätte. Diese erhebliche Abhängigkeit von nur einem Großkunden und die Tatsache, dass trotz intensiver Gespräche über weitere Aufträge kurzfristig keine alternativen Kompensationsmöglichkeiten gefunden werden konnten, führten zur Einstellung aller Geschäftstätigkeiten. Die Heimtextilkollektion wurde von der Firma Müller-Zell in Weißdorf übernommen. Die Automobilstoffproduktion ging an die Firma Fezko in der Tschechischen Republik über.


Quellen

1. Frau Ingrid Krüger, Inhaberin der Fa. Ad. Wever GmbH & Co.

2. Historisch-biographische Blätter, Industrie, Handel und Gewerbe. Ecksteins Biographischer Verlag Berlin "Der Regierungsbezirk Kassel" unter dem Protektorat des Herrn Regierungspräsidenten Graf von Bernstorff, Cassel, Ad. Wever Mechanische Weberei, Hersfeld, CHEFREDAKTEUR ALEXANDER ENGEL

3. Prospekt der Fa. Ad. Wever GmbH & Co.; Konzept und Gestaltung: GROSSE Designer und Partner, 64293 Darmstadt, Fotos: Ulrike Rimmele, Wever

4. Meldung im Kreisanzeiger am Sonntag vom 02. 04. 2006; Verlag HERO Medien GmbH, Klausstraße 31, 36251 Bad Hersfeld

5. Internetseite der Firma Ad. Wever: http://www.wever.de





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